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März 2024

Verkehrsunfall – welche Rechte haben Geschädigte?

Berichterstattungen über Verkehrsunfälle sind in unserem Alltag omnipräsent. Je nach Verletzung des Unfallopfers kann dies zu langen Spitalaufenthalten, Behandlungen und Schmerzen führen, mit denen auch eine Arbeitsunfähigkeit einhergehen kann. Verunfallte bzw. die Hinterbliebenen sind hierbei oft mit der Frage konfrontiert, wer haftet, welche Positionen als Schaden geltend gemacht werden können, und wie dieser schliesslich durchzusetzen ist.

Vorab eine gute Nachricht: Die Anwaltskosten für die juristische Beratung und Vertretung gelten als Teil des Haftpflichtschadens und sind vom Schädiger bzw. der Schädigerin zu übernehmen, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt. Die Kontaktaufnahme mit einem Anwalt oder einer Anwältin lohnt sich somit auf jeden Fall. Hinzu kommt, dass der Schaden von der geschädigten Person bewiesen werden muss und relativ kurze Verjährungsfristen zu beachten sind.

Bei der Haftung für Verkehrsunfälle ist besonders, dass ein Verschulden des Halters bzw. der Halterin nicht vorausgesetzt wird. Eine Haftung wird bereits dann bejaht, wenn durch den Betrieb des Motorfahrzeugs ein Mensch getötet oder verletzt oder ein Sachschaden verursacht wird. Befreien kann sich der Halter bzw. die Halterin von der Haftpflicht nur dann, wenn er beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder grosses Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht wird. Die Hürden hierzu sind sehr hoch:

  • In einem kürzlich ergangenen Urteil behandelte das Bundesgericht einen Fall, bei welchem ein Automobilist einen Radfahrer, der sich in falscher Richtung auf dem Radweg einem Fussgängerstreifen näherte und diesen ohne anzuhalten überquerte, nicht sah. Das Bundesgericht kam hier zum Schluss, dass der Automobilist schuldhaft unaufmerksam war und verneinte ein grobes Selbstverschulden des Radfahrers (BGer-Urteil 6B_654/2023 vom 5. Januar 2024).
  • In einem anderen Urteil verneinte das Bundesgericht ein grobes Selbstverschulden eines Mannes, der auf die Strasse trat, um einen Lieferwagen zu lotsen und durch ein vorbeifahrendes Fahrzeug auf der Strasse verletzt wurde. Es begründete dies damit, dass eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, wie sie bei sportlicher Betätigung gegeben sein kann, im Strassenverkehr nicht angenommen werden kann (BGer-Urteil 6B_239/2022 vom 22. März 2023).

Nach einem Verkehrsunfall kommt es in einem ersten Schritt oft zu einem Strafverfahren. Hier stehen Geschädigte regelmässig vor der Frage, ob sie Strafantrag gegen Unfallverursacher wegen einfacher Körperverletzung stellen sollen oder nicht. Bei einfachen Körperverletzungen wird nicht von Amtes wegen, sondern nur bei einem Strafantrag des Unfallopfers ermittelt, während schwere Körperverletzungen und Verletzung der Verkehrsregeln von Amtes wegen und ohne Zutun der geschädigten Person durch die Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden müssen. Unfallverursacher kommen somit auch bei einem Verzicht der geschädigten Person auf einen Strafantrag meist nicht um ein Strafverfahren herum. Zu Beginn der Beratung wird mit Geschädigten geprüft, ob aufgrund der Ausgangslage ein Strafantrag gegen die Person, welche den Unfall verursacht hat, angezeigt ist oder darauf verzichtet werden kann.

Beim Verzicht auf einen Strafantrag können die Zivilansprüche von geschädigten Personen nicht im Strafverfahren geltend gemacht werden. Es besteht aber die Möglichkeit, mit den Ansprüchen direkt an die Motorhaftpflichtversicherung des Halters bzw. der Halterin zu gelangen (direktes Forderungsrecht der geschädigten Person). In der Praxis kommt es daher oft vor, dass die geschädigte Person direkt gegen die Motorhaftpflichtversicherung Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche geltend macht.

Sobald die Frage geklärt ist, ob eine Haftung besteht, stellt sich die Frage, welche Schadenspositionen in welchem Umfang geltend gemacht werden können. Die geschädigte Person ist hierbei so zu stellen, wie wenn es nie zum Verkehrsunfall gekommen wäre.

Nebst dem Sachschaden sind bei den meisten Verkehrsunfällen folgende Schadenspositionen zu ersetzen:

  • Erwerbsausfall (entspricht der Differenz zwischen dem Einkommen vor dem Unfall und dem Einkommen, welches nach dem Unfall erzielt wird bzw. zumutbarer Weise erzielt werden könnte)
  • Haushaltsschaden
  • Pflege- und Betreuungsschaden
  • ungedeckte Heilungs- und Therapiekosten (soweit nicht von Unfallversicherung gedeckt)
  • Reise- und Transportkosten

Haushaltsschaden, Pflege- und Betreuungsschaden stellen hierbei eine Besonderheit dar, da sie auch dann zu ersetzen sind, wenn keine Kosten entstanden sind, sondern die zusätzlichen Anstrengungen selbst oder durch Familienangehörige und/oder Bekannte gestellt wurden. Beispielsweise wird ein Haushaltsschaden nicht nur dann ersetzt, wenn konkret Kosten für Haushaltshilfen erwachsen, die wegen des Ausfalls der Haushalt führenden Person beigezogen werden; auszugleichen ist vielmehr der wirtschaftliche Wertverlust, der durch die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Haushalt entstanden ist, und zwar unabhängig davon, ob dieser Wertverlust zur Anstellung einer Ersatzkraft, zu vermehrtem Aufwand der Teilinvaliden, zu zusätzlicher Beanspruchung der Angehörigen oder zur Hinnahme von Qualitätsverlusten führt (BGE 127 III 403).

Unter dem Titel Genugtuung kann schliesslich der seelische Schmerz, mithin die erlittene Angst sowie die verminderte Lebensqualität einer verunfallten Person geltend gemacht werden. Hierbei braucht es eine gewisse Intensität, leichte Verletzungen wie Prellungen reichen nicht aus. Namentlich berechtigen aber bleibende körperliche oder geistige Gesundheitsschädigungen oder lange dauernde Heilungsprozesse (bspw. Spitalaufenthalte) in der Regel zu einer Genugtuung.

Die Spezialist:innen von Rudolf & Bieri beraten und begleiten Sie gerne bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche gegenüber Versicherungen.

Der Beitrag hat ausschliesslich einen informativen Zweck und kann eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Die Rudolf & Bieri AG lehnt jede Haftung für diese Informationen ab. Bei Bedarf beraten Sie unsere Spezialist:innen gerne persönlich.


25. März 2024, Eliane Steiger

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